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Textgebundene Erörterung schreiben
Veröffentlicht
vor 5 Jahrenauf
Von
Michael WeidnerDie Erörterung gehört zu den Textformen, mit denen sich jeder Schüler im Laufe der Schulzeit mehrfach befasst. Dieses Basiswissen ist über die Schule hinaus sehr nützlich. Denn dabei lernen Sie, selbständig zu argumentieren, die Argumente anderer Personen einzuschätzen und abschließend eine Position zu formulieren, bei der Argumente und Gegenargumente berücksichtigt sind. Die Erörterung verlangt und ermöglicht Ihnen viel eigenständiges Denken. Bei der textgebundenen Erörterung wird das Erörtern mit dem Analysieren eines Textes kombiniert. Hier erfahren Sie, was eine textgebundene Erörterung ist und was Sie beim Planen und Schreiben beachten sollten.
Was ist eine Erörterung?
Eine Erörterung zu schreiben, bedeutet, eine bestimmte Fragestellung argumentativ abzuhandeln. Dabei wird das vorgegebene oder gewählte Thema ausgewogen, also von verschiedenen Perspektiven aus beleuchtet. Aus der Ausführung der verschiedenen Argumente werden Schlussfolgerung gezogen.
Freie Erörterung und textgebundene Erörterung
Die Textform der Erörterung wird in zwei Varianten untergliedert: die freie und die textgebundene Erörterung. Letztere wird auch als literarische Erörterung bezeichnet. Bei der freien Erörterung wird kein Text, sondern ausschließlich eine Fragestellung vorgegeben, die erörtert werden soll.
Textgebundene Erörterung
Kennzeichnend für die textgebundene Erörterung ist die Vorlage eines Textes. Im Vergleich zu einer Textanalyse oder Interpretation haben Sie bei der textgebundenen Erörterung deutlich mehr Möglichkeiten, eigene Akzente zu setzen. Die Argumentation, die bei jeder Erörterung verlangt ist, bezieht sich auf die die Position und auf die Argumentation des vorgelegten Textes.
Analyse der Textvorlage
In einem ersten Schritt ist es erforderlich, die Argumentation der Textvorlage nachvollziehen. Daher muss der Text aufmerksam und gegebenenfalls mehrfach gelesen werden. Mit dem Markieren wichtiger Passagen und dem Hinzufügen von Zwischenüberschriften können Sie sich die Arbeit erleichtern. Meist dient es auch der Vorbereitung auf das Abfassen der textgebundenen Erörterung, die Argumentation des Verfassers aus der Textvorlage in einer Skizze zusammenzufassen.
Zentrale These in der Textvorlage
In der Regel enthält die Textvorlage eine zentrale These (= unbewiesene Behauptung). In Ihrer Skizze sollten Sie diese These des Verfassers möglichst knapp formulieren. Nun halten Sie in der Skizze fest, welche Argumente und Beispiele der Verfasser verwendet.
Argumente in der Textvorlage
Der Autor führt Argumente aus, um seine These zu stützen. Es wäre auch möglich, eine entsprechende Antithese (= Gegenthese) zu formulieren und diese wiederum mit Argumenten zu stützen. Oft stellt sich heraus, dass der Verfasser der Textvorlage ausschließlich eine Sichtweise ausführt und keine Gegenthese oder Gegenargumente einbezieht.
Beispiele in der Textvorlage
Beispiele dienen der Veranschaulichung und Absicherung von Argumenten. Im Vergleich zu Argumenten sind Beispiele konkreter, beziehen sich also eher auf Einzelfälle. Mitunter sind sie der persönlichen Erfahrungswelt entnommen.
Eigene Position finden
Nun ist es erforderlich, eine eigene Position zu der im Text behandelten Fragestellung zu finden. Dies ist keine Frage von richtig oder falsch. Lehrer bewerten nicht die Position, sondern deren Ausführung. Ihre Lehrer werden sich ansehen, ob Sie Ihre Position schlüssig begründen, ob Ihre Argumentation nachvollziehbar ist und die Erörterung übersichtlich und logisch aufgebaut ist. Auch der analytische und kritische Blick auf die Textvorlage ist von Bedeutung.
Position des Verfassers annehmen, ablehnen oder einen Kompromiss finden
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, sich der Position des Verfassers anzuschließen, dieser zu widersprechen oder eine Zwischenposition, also einen Kompromiss zu finden und sich dem Verfasser nur teilweise anzuschließen. Manchmal hilft es, sich nach dem Abschluss der Skizze zu entscheiden. Dann erkennen Sie, ob die Argumente des Verfassers Sie überzeugen oder eher die potenziellen Gegenargumente. Sie können sich auch intuitiv, also nach dem ersten Eindruck, für eine Position entscheiden. Falls es Ihnen schwer fällt, sich zu festzulegen, können Ihnen folgende Fragen helfen.
– Welche der Argumente des Autors erscheinen mir schlüssig?
– Welche der Beispiele überzeugen mich?
– Würden mich Argumente für die entgegengesetzte Position mehr überzeugen?
– Verfüge ich über persönliche Erfahrungen, die die These des Verfassers oder die entsprechende Gegenthese stützen?
Eigene Argumente finden
Zur Eigenleistung bei einer textgebundenen Erörterung gehört es, eigene Argumente zur Klärung der Fragestellung zu finden. Nun kommt es darauf an, über die Textvorlage hinaus zu überlegen, welche Argumente für die These aus dem Text oder für die entsprechende Gegenthese es gibt. Ein erneuter kritischer Blick auf die Skizze zur Argumentation des Verfassers hilft hier weiter. Manchmal gibt es weitere Argumente, die denen im Text ähnlich sind, aber deren Ausführung sich dennoch lohnt. Zu Ihren eigenen Argumenten und Beispielen sollten Sie ebenfalls Stichpunkte notieren.
Mit dem Abfassen des Textes beginnen
Wenn all diese Vorüberlegungen abgeschlossen sind, haben Sie Ihr Konzept für die textgebundene Erörterung festgelegt und können mit dem Abfassen des Textes beginnen.
Aufbau der textgebundenen Erörterung
Wie andere Textformen auch sollte eine textgebundene Erörterung logisch aufgebaut sein. Dies bedeutet, der Text sollte aus Einleitung, Hauptteil und Schluss bestehen.
Einleitung
In der Einleitung sollten Sie alle wesentlichen Informationen zu der Textvorlage geben. Hierzu zählen der Titel des Textes, das Jahr der Veröffentlichung und die Textsorte. Die Fragestellung des Textes, auf die sich die Erörterung bezieht, sollte näher erläutert werden. Darüber hinaus kann der Anlass, aus dem der Text verfasst wurde, dargestellt werden.
Hauptteil
Im Vergleich zur freien Erörterungen ist der Hauptteil einer textgebundenen Erörterung umfangreicher. Er besteht aus insgesamt drei Aspekten: der Wiedergabe der Argumentation aus der Textvorlage, der Analyse formaler Besonderheiten und der eigenen kritischen Auseinandersetzung.
Zentrale These wiedergaben
Im Hauptteil sollten Sie zunächst die zentrale These des Autors wiedergeben. Es empfiehlt sich, diese möglichst knapp zu formulieren. Im Originaltext wird die These möglicherweise über mehrere Sätze ausgeführt. Es sollte Ihnen aber möglich sein, die Behauptung des Verfassers in einem Satz wiederzugeben.
Argumentationsstruktur darstellen
Nun sollten Sie die Argumentationsstruktur des Autors erläutern. Dabei verdeutlichen Sie, wie der Verfasser seine These mit Argumenten und Beispielen belegt.
Nicht zu eng an den Text halten
In dieser ersten Passage des Hauptteils setzen Sie sich ausschließlich mit der Textvorlage auseinander und bringen noch keine eigenen Überlegungen ein. Gleichwohl sollten Sie sich nicht zu eng an den Text halten. Wenn Sie vor dem Verfassen eine Skizze entworfen haben, dürfte Ihnen dies leichter fallen, da sie sich von der Formulierung im Original bereits gelöst haben.
Sprachliche und formale Besonderheiten analysieren
An die Wiedergabe der Argumentation schließt sich eine Analyse sprachliche und formaler Besonderheiten der Textvorlage an. Dieser Teil sollte in der Regel nicht zu ausführlich werden und kann je nach Absprache im Unterricht oder der Aufgabenstellung auch ganz wegfallen. In diesem Teil können Sie auf rhetorische Mittel, den Stil, den Aufbau und den Ausdruck der Textvorlage eingehen.
Eigene kritische Auseinandersetzung
In dieser Passage des Hauptteils kommt es auf Ihre eigenen Überlegungen zur Fragestellung an. Sie sollten nun – je nach Ihrer Position – die Ausführungen des Autors durch eigene Argumente und Beispiele ergänzen oder entsprechende Gegenargumente ausführen. Hierbei können Sie gegebenenfalls auch Beispiele aus Ihren persönlichen Erfahrungen anführen, um die entsprechende Position zu untermauern. Der Stil sollte gleichwohl weiterhin objektiv gehalten sein.
Beispiel: Der Argumentation des Verfassers für die Verkürzung der Schulzeit auf acht Schuljahre ist ein wichtiges Argument hinzuzufügen: Nach meiner persönlichen Erfahrung …
Schlussteil
Im Schlussteil formulieren Sie Ihre Position zu der Fragestellung. Im Unterschied zum Hauptteil dürfen Sie hier werten.
Beispiel: Die Argumentation des Autors ist meiner Ansicht nach zu einseitig und zu ausschließlich formuliert.
Es ist auch möglich, im Schlussteil die Ergebnisse aus dem Hauptteil zunächst knapp zusammenzufassen und dann eine abschließende Position zu formulieren.
Vorgaben im Unterricht
In den Einzelheiten haben Lehrerinnen und Lehrer eigene Vorstellungen darüber, wie eine textgebundene Erörterung gestaltet sein soll. Daher sollten Sie im Unterricht genau auf die Vorgaben achten. Manche Lehrer erwarten beispielsweise, dass auf der ersten Seite der Erörterung die eigenen Argumente stichpunktartig dargestellt werden, bevor die ausformulierte Erörterung beginnt.
Checkliste
Anhand dieser Checkliste können Sie überprüfen, ob Ihre textgebundene Erörterung die wesentlichen Anforderungen erfüllt.
– Habe ich die Position des Verfassers in der Textvorlage richtig und vollständig verstanden?
– Habe ich alle wichtigen Argumente und Beispiele berücksichtigt, die der Verfasser verwendet, um seine Position zu stützen?
– Habe ich eigene Argumente gefunden, die in sich schlüssig sind?
– Habe ich diese Argumente im Hauptteil klar und verständlich ausgeführt?
– Sind meine eigenen Argumente in logischer Weise zu den Argumenten aus der Textvorlage in Beziehung gesetzt?
– Habe ich in der Einleitung den Leser zielorientiert in die Fragestellung eingeführt und die wesentlichen Rahmeninformationen zu der Textvorlage gegeben?
– Habe ich im Schlussteil eine eigene Position formuliert und diese nachvollziehbar begründet?
– Ist meine textgebundene Erörterung logisch und übersichtlich aufgebaut?
– Sind Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung und Ausdruck in meinem eigenen Text korrekt?
Michael Weidner hat Germanistik studiert und veröffentlicht auf Formulieren.de nützliche Artikel und Ratgeber rund um das Thema Bildung, Karriere und deutsche Texterstellung. Seine Leidenschaft ist das Schreiben und dieses Wissen gibt er gerne weiter.